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15.08.2023 | Thrombophilie-Diagnostik und Heparin bei wiederholten Spontanaborten

Die aktuelle AWMF-S2k Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Frauen mit wiederholten Spontanaborten“ (WSA) der DGGG (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-050) führt aus, dass eine Thrombophilie-Diagnostik zum Zweck der Abortprophylaxe nicht durchgeführt werden sollte. Explizit empfiehlt sie weiterhin bei Frauen mit WSA - auch beim Vorliegen einer hereditären Thrombophilie - kein Heparin zum alleinigen Zweck der Abortprophylaxe anzuwenden (lediglich bei hohem Thromboserisiko ggf. aus maternaler Indikation).

Obwohl diese Aussagen nicht neu sind, sich mit den Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften decken und der Nutzen der untersuchten Intervention nicht bewiesen ist, sind sowohl die Thrombophilie-Diagnostik als auch die Heparingabe bei WSA weiterhin weit verbreitet.

Die genannten Leitlinien-Empfehlungen unterstützt eine aktuelle internationale randomisierte Studie, an der Kliniken aus Großbritannien, den Niederlanden, den USA, Belgien und Slowenien teilnahmen (Quenby et al. Heparin for women with recurrent miscarriage and inherited thrombophilia (ALIFE2): an international open-label, randomised controlled trial. Lancet 2023; 402: 54-61).
Eingeschlossen wurden Frauen im Alter von 18-42 Jahren mit ≥ 2 Aborten und einer bekannten Thrombophilie (Faktor V Leiden-Mutation, Prothrombin-Mutation, Antithrombin-, Protein C-, Protein S-Mangel), die erneut versuchten, schwanger zu werden oder bereits frühschwanger (≤ 7. SSW) waren. Die Randomisierung erfolgte in eine Gruppe mit niedermolekularem Heparin ab dem positiven Schwangerschafts-Test bzw. vor der 7. SSW bis zum Schwangerschaftsende (n=164) sowie eine Gruppe ohne Heparin (n=162).
Die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt unterschied sich in beiden Gruppen nicht signifikant (adjustierte OR 1,08; 95% CI 0,65 – 1,78). Gleiches galt für das Auftreten von Komplikationen in der Schwangerschaft (24% vs. 23%).

Die Autoren raten daher (wie auch die o.g. Leitlinie):

  1. von der Gabe von niedermolekularem Heparin bei Frauen mit WSA und einer angeborenen Thrombophilie und
  2. von einem Thrombophilie-Screening bei Frauen mit WSA ab.

Prof. Dr. med. Frank Nawroth