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15.10.2023 | Testosteron und Covid-19: Gibt es einen Zusammenhang?

Schon lange ist bekannt, dass bestimmte immunologische Erkrankungen wie eine Hashimoto-Thyreoiditis, eine rheumatoide Arthritis, ein systemischer Lupus erythematodes etc. bei Frauen deutlich häufiger vorkommen als bei Männern. Auch gibt es Unterschiede in der Immunantwort z.B. auf Influenza-Impfstoffe, basierend auf dem Testosteronlevel der Männer.

In einer aktuellen Arbeit zeigte sich bei Männern ein Zusammenhang zwischen der Testosteronkonzentration und dem Schweregrad einer Covid-19-Infektion (Stanelle-Bertram et al. CYP19A1 mediates severe SARS-CoV-2 disease outcome in males. Cell Rep. Med. 2023; Aug 11: Online ahead of print).

Männer erkrankten nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger schwer an Covid-19 als Frauen. Bei niedrigeren Testosteronspiegeln fand sich ein ungünstigerer Krankheitsverlauf. Mittels genetischer Analysen von über 2866 SARS-CoV-2-infizierten Männern und Frauen identifizierten die Autoren eine Punktmutation in einem Gen, welches für das Enzym Aromatase (Cyp19a1) die Umwandlung von Testosteron zu Östradiol katalysiert. Männer mit dieser Mutation erkrankten doppelt so häufig schwer an Covid-19 im Vergleich zu Männern ohne die Mutation.

Zusätzlich zeigte sich, dass bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 die Aktivität der Mutation gesteigert war und somit noch niedrigere Testosteronwerte vorlagen. Insbesondere gab es eine gesteigerte Expression und Aktivität des Enzyms im Lungengewebe von Männern, die besonders schwer erkrankten oder verstarben. Eine zusätzliche Untersuchung untermauerte diese Hypothese: Letrozol als Aromatasehemmer und damit Antagonist von Cyp19a1 wurde in einem Tiermodell getestet. Nach etwa 7 Tagen kam es zu einer stärkeren Erholung der Alveolen und Lungenfunktion. Letrozol verhinderte die Bildung von Östradiol und bewirkte als Nebeneffekt eine Erhöhung der Testosteronkonzentration. Ob daher Letrozol bei einer SARS-CoV-2-Infektion bei Männern und zur Verhinderung von schweren Verläufen- angewendet werden könnte, bleibt abzuwarten und müsste in klinischen Studien untersucht werden.

Die Studie zeigt, dass endokrinologische Faktoren das Immunsystem - neben anderen Faktoren wie Genetik, Umwelt, Mikrobiome, Epigenetik etc. - beeinflussen können.

Prof. Dr. med. Christoph Dorn