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01.09.2023 | Ovarielle Reserve und Abortrisiko nach assistierter Reproduktion (ART)

Bei insgesamt kontroversen Studiendaten lassen bisherige Untersuchungen vermuten, dass sich die Aneuploidie- und die Lebendgeburtenrate in einer Gruppe mit verminderter ovarieller Reserve gegenüber gematchten Kontrollen nicht signifikant unterscheiden (Fouks et al. A diagnosis of diminished ovarian reserve does not impact embryo aneuploidy or live birth rates compared to patients with normal ovarian reserve. Fertil. Steril. 2022; 118: 504-512).

Allerdings gibt es auch gegenteilige Untersuchungsergebnisse (Jaswa et al. Diminished ovarian reserve is associated with reduced euploid rates via preimplantation genetic testing for aneuploidy independently from age: evidence for concomitant reduction in oocyte quality with quantity. Fertil. Steril. 2021; 115: 966–973).

Grundsätzlich besteht das Problem darin, dass mit dem weiblichen Alter die Abortrate steigt, aber es schwierig ist zu differenzieren, ob das auf dem Effekt des biologischen Alterns auf die Eizellqualität oder auf der abnehmenden ovariellen Reserve beruht.
Die nachfolgend dargestellte aktuelle retrospektive Kohortenstudie beschäftigte sich daher ebenfalls mit der Frage, ob niedrige Werte des Anti-Müller-Hormons (AMH) oder eine verminderte Zahl im Ultraschall darstellbarer antraler Follikel (AFC) bei Frauen < 35 Jahre die Abortwahrscheinlichkeit im Rahmen einer assistierten Reproduktion (ART) erhöhen (Chine et al. Low ovarian reserve and risk of miscarriage in pregnancies derived from assisted reproductive technology. Hum. Reprod. Open 2023; May 19; doi: 10.1093/hropen/hoad026. eCollection 2023).

Eingeschlossen wurden 538 Frauen < 35 Jahre mit einer Schwangerschaft nach IVF, ICSI oder Insemination, die keine bekannten Abortursachen aufwiesen. Für den AFC wurden die antralen Follikel von 2-10 mm gemessen. Primärer Outcome-Parameter war die Abortrate bei einem AMH < 0,7 ng/ml. Den sekundären Outcome-Parameter bildete das Abortrisiko im Vergleich der AMH-Grenzwerte 0,4, 0,5 und 1,1 ng/ml.

92/538 Frauen (17%) erlitten einen Abort und wurden mit den verbliebenen 446 entbindenden Frauen (83%) verglichen. Die adjustierte Odds Ratio für einen Abort bei einem AMH < 0,7 ng/ml lag bei 1,12 (95% CI 0,51 – 2,45). Die zusätzliche Untersuchung für die o.g. AMH-Grenzwerte 0,4, 0,5 und 1,1 ng/ml sowie für die AFC-Grenzwerte 7 und 10 ergab ebenfalls keine Assoziation zur Abortrate.

Bei erforderlichem Klärungsbedarf in weiteren Studien zeigen diese Ergebnisse, dass eine verminderte ovarielle Reserve (definiert über das AMH oder den AFC) bei Frauen < 35 Jahre, die durch eine ART schwanger werden, nicht mit der Abortrate assoziiert ist.

Prof. Dr. med. Frank Nawroth