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01.01.2021 | Ist Abwarten nach einem frühen Abort nach IVF sinnvoll?

Oft begegnet uns – nicht nur nach der mit einem Abort endenden IVF – die Frage, wann Frauen nach einer frühen Fehlgeburt wieder schwanger werden „dürfen“. Insbesondere in der assistierten Reproduktion (ART) ist die behandelte Klientel oft in der Mitte – Ende des 3. Lebensjahrzehnts oder älter, so dass schon allein aus diesem Grund die Chancen bei langem Abwarten sinken könnten. Außerdem ist die ART oft mit Selbstkosten verbunden, die Paare verständlicherweise ungern tragen möchten, wenn der Ausgang des Therapieversuches durch den vorangegangenen Abort negativ beeinflusst sein könnte.

In einer aktuell publizierten retrospektiven Untersuchung wurden 257 Frauen nachverfolgt, die nach der IVF und einem Abort vor der 14. SSW einen erneuten IVF-Versuch begannen (Weiner et al. Conception after early IVF pregnancy loss – Should we wait?
Reprod. Biomed. Online 2020; Nov 5: Online ahead of print).
Offensichtlich erfolgte der Therapiebeginn nach einer biochemischen Schwangerschaft (72,7 ± 56,4, Median 60 Tage) oder einem spontanen Abort (97,7 ± 93,1, Median 66 Tage) signifikant früher als nach einem medikamentös induzierten Abort (111,9 ± 103,2, Median 65 Tage) oder einer Abortcürettage (123,4 ± 111,1, Median 84 Tage) (P=0,01). Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen der Zeit bis zum Therapiebeginn und der Wahrscheinlichkeit einer erneut eintretenden Schwangerschaft. In der Regressionsanalyse beeinflusste die Art des Abortes aber die Schwangerschaftschance. Der medikamentös induzierte Abort und die Abortcürettage waren mit einer niedrigeren Schwangerschaftschance assoziiert als eine biochemische Schwangerschaft und der Spontanabort.
Trat im 1. IVF-Zyklus nach dem Abort eine Schwangerschaft ein, stieg die Chance auf eine Lebendgeburt bei einem kürzeren (Median 57,5 Tage) im Vergleich zum längeren Intervall (Median 82,5 Tage) (P=0,03).
Die Autoren schlussfolgerten aus ihren Ergebnissen, dass der Therapiebeginn nicht verzögert werden sollte, da ein kürzeres Intervall mit einer höheren Lebendgeburtenrate vergesellschaftet war.

Kommentar:
Sicher müssen diese Ergebnisse in weiteren und vor allem randomisierten Untersuchungen geprüft werden, aber sie sprechen gegen die viele Jahre praktizierte Vorgehensweise, nach einem Abort jeglicher Art mindestens 2-3 Monate zu pausieren. Ob das kürzere Intervall tatsächlich “besser” ist als das längere, muss man in weiteren Studien abwarten, aber es scheint nach aktuellem Wissen zumindest nicht nachteilig zu sein.

Prof. Dr. med. Frank Nawroth